
„Nein, diesen Ort gibt es offiziell nicht. Er ist auf keiner Karte“
Wir hatten Glück! Die nette junge Frau im Naturschutzzentrum gab uns trotzdem bereitwillig Auskunft.
Sagte uns, wie wir ihn finden, diesen Ort, den schwedische Behörden am liebsten totschweigen würden.
Nimis!
Offizielle Wanderzeichen gäbe es auch nicht, meinte die Frau, nur ein "N" an den Stämmen der Bäume würde uns hin und wieder als Orientierung dienen.
Wir suchen. Und finden: das erste N, blassgelb, an den Stamm einer Buche gepinselt.
Es führt uns abseits des Wanderweges immer tiefer in den Wald.
Wir steigen hinab auf einem steilen Pfad in Richtung Meer über ein Geflecht von Wurzeln, Felsen und Geröll.
Wir verlieren den Weg, finden ihn wieder, an einer alten knorrigen Birke noch ein "N" - wir sind offenbar richtig.
So viel Geheimniskrämerei um diesen Ort? Nimis!
An einer Felskante taucht plötzlich ein Holzgebilde auf, aus der Ferne undefinierbar.
Äste, Bretter, Treibholz. Wie zufällig hingeworfen und aufgeschichtet.
Der Eingang.
Nimis ist ein Kunstwerk. Eine gigantische Skulptur, die sich von der Felskante im Wald bis hinab zum Meer schlängelt.
100 Meter lang, 15 Meter hoch, 75 Tonnen Treibholz, 170.000 Nägel.
Und Nimis ist begehbar. Ein enger hölzerner Tunnel führt direkt vom Eingang hinab, wie in einen Schlund ...
Wir betreten Nimis und damit die die unabhängige Republik Ladonien. Eine Mikronation. Ein Staat, der eigentlich nur in der Fantasie existiert.
1996 von Lars Vilks ausgerufen, nach jahrelangen Gerichtsverfahren, als Ausdruck seines Protestes gegen den schwedischen Staat.
Die Behörden wollten das Kunstwerk abreißen. Denn Vilks hatte es zunächst heimlich, dann ohne Einwilligung der Ämter mitten im Naturschutzgebiet errichtet.
Der Weg hinab führt in ein Labyrinth von Gängen, die sich immer wieder verzweigen.
An manchen Stellen ist es so eng, daß wir den Rucksack absetzen müssen.
Und wir müssen höllisch aufpassen. Überall ragen Nägel aus Brettern, Stämmen und Ästen, die von Wind und Wasser im Laufe vieler Jahre glatt geschliffen wurden.
Das Erstaunlichste aber ist, dass Nimis, trotz seiner fragilen Erscheinung, extrem stabil scheint, wie in Beton gegossen.
Links öffnet sich nun der hölzerne Tunnel zu einer Art Nebenraum. Die "Bibliothek". Ihr Bestand: Zwei zerfledderte, ausgeblichene Zeitschriften und ein Buch. Alle drei Exemplare mit rostigen Nägeln am Holz befestigt. Man kann darin blättern. Es gibt einen mehrseitigen Artikel mit Bildern über Lars Vilks und sein Schaffen. Was für ein verrückter Typ!
Trotz mehrfacher Androhung hat man Nimis bis heute nicht abgerissen. Es steht noch immer da, trotzt Wind und Wetter und zieht seit Jahren immer wieder von Neuem viele neugierige Besucher in seinen Bann. Diesen touristischen Nutzen haben wohl auch die Behörden mittlerweile erkannt und deshalb schauen sie weg und deshalb wird Nimis geduldet.
Zurück zum Künstler:
Lars Vilks hatte sich seit 2007 durch seine provokanten Mohammedkarikaturen fundamentalistische Muslime zum Feind gemacht. In der Folge erhielt er mehrfach Mordandrohungen und wurde zum Ziel mehrerer Attentate. Ohne Personenschutz konnte er fortan nicht mehr das Haus verlassen. Er starb im Oktober 2021 bei einem Autounfall, zusammen mit seinen Leibwächtern. Die Ursache dafür ist bis heute nicht geklärt.
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Famille Demarcq (Sonntag, 11 September 2022 17:37)
C'est incroyable ce lieu ...