Ins Hinterland (2)

Mittlerweile hat‘s getaut und dann geblasen und der Schnee ist dicht und fest. 

Ein idealer Untergrund! Jetzt können wir auch ohne Spur … ins Hinterland! 

 

Immer starten wir im Tal. 

Da, wo der Morgen noch nicht angekommen scheint: minus 15 Grad und weniger,

Wo es schattig und kalt und das Licht noch bläulich ist und man sich fragt, ob man wirklich …   

Doch hinter der Kante lockt die Sonne und der Winterhimmel …  eisig und strahlend blau! 

Lohnen wird es sich auf jeden Fall. 

 

Bis dahin ist es noch ein gutes Stück. 

Durch den Märchenwinterwald, schneebeladene Kiefern und Fichten rechts und links, 

Stetig den Berg hinauf, steil den Berg hinauf.  

In Serpentinen meist - anders geht es ohne Felle nicht. 

Da wird’s uns warm und das ist gut. Zuerst der Körper, dann mit viel Glück auch Hände und Füße.

Wir schieben dampfende Atemwolken vor uns her und uns Schritt für Schritt dem Horizont entgegen. 

Doch der weicht wie immer zurück - auch Schritt für Schritt. Als wolle er niemals eingeholt werden. 

Spuren führen durch den Schnee, hin und her, kreuzen sie die gerade Linie unsere Skier. 

Hasen waren vor uns da, Schneehasen? Füchse ebenfalls und auch ein Elch! 

 

Kiefern und Fichten werden nun lichter, Birken drängen sich dazwischen.

Und die ersten Sonnenpfeile schiessen durch die krüppeligen Äste, werfen blaue Schatten auf das weiße Funkeltuch!

Ein erstes beglückendes Lichterblitzen!

 

Dann machen sich auch die Birken rar. Bizarrer werden sie in Form und Wuchs. 

So vereinzelt, setzen sie sich gut in Szene! 

Schließlich gar nichts mehr, kein Baum, kein Strauch! Nur weiße Weite! Weites Weiß! 

Und hinter uns das Meer: ein Meer an schneebedeckten Gipfeln.

Keine tosende See, keine spitzen Wellenkämme. 

Sanfte weiße Wogen - mal hoch, mal weniger hoch - so weit das Auge reicht.

Es hat sich gelohnt! 

Von hier haben wir eine unglaubliche Sicht, einen neuen Blick, eine andere Perspektive! 

Vor allem aber Licht! Sonnenlicht! Mittagslicht! 

Gleißend, glänzend, glitzernd! 

Helios tut, was er kann, um diese Tageszeit.

Wärme kann er nicht. Dafür ist es noch zu früh im Jahr! 

 

Der Wind hier oben treibt uns an. 

Weitergehen ohne Spur! 

Weiter noch ins Hinterland, ins weite Weiß hinein.

Weiter bis zum nächsten Horizont! 

Weiter im Rhythmus des Atems, des Stockeinsatzes, 

des nun mühelosen Gleitens, rechts, links, rechts, links, … 

Die Bewegungung, die fast süchtig macht. 

Irgendwann kippt der Tag und es wird Abend! 

Ganz unverhofft, ohne Übergang, viel zu früh. 

Oder haben wir es nicht bemerkt? 

Weniger Licht, anderes Licht, tiefes Licht.

Die Sonne sinkt, ist gesunken, ist schon fast verschwunden.

Die Luft beginnt zu schneiden! Erst recht hier oben, wo es weht.

Die Kälte kriecht in die Jacke, in den Körper.

Die Augen fangen an zu tränen, Fuß- und Fingerspitzen an zu schmerzen. 

Es wird Zeit! Wir drehen um! Rentiere bekommen wir heute keine zu Gesicht. 

 

Die Abfahrt ist kipplig auf den Latten ohne großen Halt.  

Bloß vorne bleiben! Keine Rückenlage! Nicht zu schnell!

Wir gleiten vorbei am weiten Weiß, an Birken, Kiefern, Fichten, 

an Spuren von Schneehase, Fuchs und Elch.  

Über die schattengebende Kante in den Märchenwald hinein, den Berg hinunter bis ins Tal. 

 

So schnell sind wir wieder unten.

Da, wo die Wintersonne nur einen kurzen Auftritt hatte.

Wo es schattig und kalt und das Licht wieder bläulich ist.