Nidaros

Ehrlich gesagt, ich bin kein Kirchgänger. 

An Weihnachten ganz gern. Sonst aber eher nicht.

Und wenn wir auf Reisen mal eine Kirche anschauen, bin ich oft nach einer viertel Stunde wieder draußen. Nicht, daß ich mich irgendwie unwohl fühlen würde. Aber es begeistert mich auch nicht. 

Diesmal war das anders. Diesmal sind wir Mittags um 2 durch das große Portal rein und als wir eine Stunde später raus mußten, wäre ich gerne noch geblieben. 

Wo das war?

In Trondheim. Im Nidarosdom.

 

Im Eingang saßen 2 junge Leute in langen dunkelroten Gewändern. 

Einer kontrollierte unsere Eintrittskarten und sprach uns höflich an. Auf deutsch.

Ich solle bitte auf meine Brille aufpassen.

Hä? Ich hatte die Brille oben auf meine Mütze geschoben! 

Ich schaute an die Decke. Mindestens 15 Meter, wenn nicht mehr. Mit dem Kopf anstoßen konnte ich nirgendwo.

Warum also sollte ich auf meine Brille aufpassen? 

Der junge Mann lächelte. 

Er würde uns gerne bitten, die Mützen während des Besuches abzunehmen, sagte er. 

Achso!  

Klar haben wir die Mützen abgesetzt, wenngleich ich das im ersten Moment schon etwas befremdlich fand. 

Typisch Kirche mal wieder…und wenn ich länger darüber nachgedacht hätte, wäre ich vermutlich gleich wieder rausgegangen. 

 

Aber dann standen wir vor der Orgel und die Mützen waren vergessen. 

Gigantisch, atemberaubend, wie ein riesiges geöffnetes Maul mit langen scharfen Zähnen. 

Ich weiß, daß dies ein ziemlich unpassender Vergleich ist. Aber genau daran habe ich im ersten Moment denken müssen.

Gebaut 1930, von der bayrischen Firma Steinmeyer

Restauriert und neu aufgebaut zwischen 2012 und 2014 von der schweizer Firma Kuhn

Als ich mich umdrehte war mir sofort klar, warum die Pfeifen so riesig waren. 

Das Kirchenschiff war fast 100 Meter lang. Die Töne mussten bis in den letzten Winkel reichen. 

Sieben norwegische Könige wurden hier gekrönt, 10 begraben. Im Übrigen die weltweit nördlichste gotische Kathedrale der Welt. 

Mich faszinierte vor allem die Symmetrie. Der Blick nach oben. Und ich mochte die Farben.

Vor allem die unterschiedlichen Grautöne. Speckstein !!

Ich schlenderte in aller Ruhe hin und her, fand immer wieder neue fotografische Motive und traf unterwegs den jungen Mann vom Eingang

(Der mit der Mütze). 

Ich nutzte die Gelegenheit und sprach ihn an. 

Er heißt Magne und ist Student. Kein angehender Priester, wie ich anfangs dachte. 

Im Nidarosdom verdient er sich Geld für den Lebensunterhalt. Muß dafür allerdings das lange dunkelrote Gewand tragen.

Er sei zwischen Aachen und Köln in die Grundschule gegangen, erzählte Magne, deswegen könne er auch ein bisschen deutsch. 

Und ja, dies sei ein ziemlich cooler Studijob, wenn man sich für Geschichte interessiert. 

Ob er besonders religiös sei?

Nö, eigentlich nicht. Und trotzdem erzähle er gerne über den Dom und seine Geschichte. 

Auch gut für den distanzierten Blick, fügte ich noch hinzu und fragte, ob ich ein Foto von ihm machen könne.

Ich war mir fast sicher, daß er höflich nein sagen würde. Hat er aber nicht. 

Die Idee, etwas ehrfürchtig an der Kamera vorbei nach oben zu schauen, war im Übrigen seine. 

 

Ich drückte auf den Auslöser und in diesem Augenblick erklang die Orgel. 

Tief und donnernd. Die Töne erfaßten meinen ganzen Körper und ließen mich regelrecht erschauern.

Es fühlte sich an, als stünde ich direkt neben der Orgel. Tatsächlich aber war ich etwa 80 Meter entfernt.

An die Fortsetzung des Gesprächs mit Magne war nicht mehr zu denken. 

Wir verabschiedeten uns gestenreich und ich machte mich auf die Suche nach dem Orgelspieler. 

Der mußte ja irgendwo sein. Ich fand ihn etwas seitlich von der Orgel. Nicht oben, sondern unten.

An einem beweglichen Spieltisch. Eher eine Art Cockpit.

 

125 klingende Register, 2 Effektregister, 12 Transmissionen, 4 Tremulanten, 36 Koppeln, 10 Sonderfunktionen Pro Organist,

12 Generalkombinationen, 4-8 Werkkombinationen, Tutti, Generaltutti, 999 Setzerkombinationen und „Touch screen“!!

(Beschreibung Orgelbau Kuhn/Männedorf CH)

 

Unglaublich dieses Instrument. 

Ich schaute dem Musiker eine ganze Zeit lag über die Schulter. Und ich weiß auch nicht.

Ich gehe zwar nicht so gerne in Kirchen aber Orgelmusik ergreift mich. Die macht was mit mir. Hab ich immer wieder festgestellt. 

Um 3 kam dann der Chor zur Probe Und wir mußten raus. Schade. 

Wären gerne noch geblieben.

 

Ich habe dann draußen noch versucht, den Dom in seiner Gänze auch von vorn  zu fotografieren. Bin kläglich gescheitert.

Dafür habe ich Magne in seiner roten Robe noch einmal "erwischt". Es war viertel nach drei. Er hatte Feierabend. 

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