Der Blick in den Himmel

Inzwischen sind wir soweit oben im Norden, daß sich meine App Aurora Pro fast jeden Abend meldet. Oft spät in der Nacht. Neulich an 2 aufeinanderfolgenden Tagen sogar mit hundert Prozent Wahrscheinlichkeit. Das Handy glühte fast. Der Globalindikator der geomagnetischen Aktivität, kurz KP-Wert, lag bei über 5. Das ist ziemlich stark. Es wäre eine irre Lightshow geworden. Aber leider war auch die Wolkendichte hundertprozentig…

In Deutschland sollen sie gut sichtbar gewesen sein. 

Die letzten Nordlichter haben wir übrigens bei Rune auf Kjeringsøy erlebt. Direkt am Meer. 

Und hey, ihr hättet mich nicht wiedererkannt.

Ich bin aus der Minna gestiegen, habe in aller Seelenruhe mein Stativ ausgepackt, alle nötigen Knöpfe an der Kamera gedruckt und mir ein schönes Plätzchen gesucht.

Okay, ich bin dann über meine Schnürsenkel gestolpert und habe mit die Hüfte geprellt aber sonst…

Wenn ich an das erste Mal denke, dann ist das eine ziemliche Entwicklung.

Leider läßt sich die nicht so ohne weiteres auf andere Bereiche übertragen.

 

„Adler!“

„Wo?“

„Da oben!“

Während Thea noch suchend durch die Windschutzscheibe schaute, trat ich auf’s Bremspedal.

Mit etwas Verzögerung kam die Minna auf der glatten Straße zum Stillstand. 

Ich bin mir nicht ganz sicher, ob ich vorher in den Rückspiegel geschaut hatte.

Der Puls wurde schneller. Hektisch Bewegungen hinterm Lenkrad verrieten meine Aufregung.

„Wo ist das Tele(objektiv)?“ 

Blöde Frage. Da, wo es immer ist. In einem Etui im Rucksack hinter dem Fahrersitz. 

Dort, wo man nicht so gut rankommt. Natürlich nicht. 

Der Reißverschluß klemmte. Klar. 

Als ich es endlich auf der Kamera hatte, sprang ich auf die Straße, auf der Gottseidank wenig Verkehr war.

„Er ist weg“

„Wie?“

„Ich sehe ihn nicht mehr“

Der Adler, der eben noch am Himmel kreiste, war plötzlich verschwunden. Weg. Einfach so.

Enttäuscht stieg ich zurück in die Minna. Beim nächsten Mal würde ich besser vorbereitet sein.

 

Adler!

„Wo?“

„Da oben!“

Ich schaute in den Rückspiegel, hielt am Straßenrand und behielt dabei den Adler genau im Auge.

Kamera und Tele lagen griffbereit auf der Ablage. Ich sprang auf die Straße, auf der Gottseidank kein Verkehr war und sah über mir einen schwarzen Punkt, der sich immer höher schraubte. 

Mir war nicht klar, daß es so schwer war, mit 600 mm Brennweite diesen Punkt am Himmel wiederzufinden. Und als ich ihn dann endlich hatte, war er so klein, daß der Autofocus nicht scharf stellte. Beim nächsten Mal ….

 

„Adler!“

„Wo?“

„Direkt über uns!“ 

Er glitt in aller Seelenruhe über uns hinweg. Und hätte ich in diesem Moment auf dem Dach der Minna gestanden, ich hätte seine Schwingen berühren können. 

Es war ein Segen, daß ich vor lauter Aufregung nicht in den Graben fuhr.

Vollbremsung. 

Ich sprang auf die Straße, auf der Gottseidank nur wenig Verkehr war und hatte Glück. 

Der Adler drehte noch einmal um und landete auf einer Wiese. Er blieb auch dort, als ich die Minna abseits der Hauptstraße in einem Seitenweg parkte. 

Ich ging langsam auf ihn zu, die Kamera im Anschlag. 

Er hatte mich natürlich längst gesehen, ließ mich vielleicht auf 50 Meter heran, dann erhob er sich. 

Was für ein schöner Anblick.

 

Auf dem Weg zurück zur Minna, schaute ich ungeduldig auf das Display meiner Kamera. 

Und stieg mit einem zufriedenen Grinsen in die Minna. 

„Hast Du nicht gesehen hätte, daß der Adler noch einmal zurückgekommen ist?“, wollte Thea wissen.

„Wie?“

„Ja, er ist direkt über Deinen Kopf geflogen“

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Kommentare: 2
  • #1

    Bernd und Gisela (Dienstag, 07 März 2023 21:05)

    Ich war wieder mal den halben Abend "mit Euch" in Norwegen unterwegs.
    Ehrlich - uns verschlägt es die Sprache, was ihr Beiden da oben im Norden erleben dürft (müsst). Unfassbar!
    Die Touren, die ihr zusammen meistert, lernen wir durch Eure begeisternden Erzählungen kennen und sind beeindruckt von diesen vielen Schönheiten.
    Und Feste feiern scheint eine der Lieblingsbeschäftigungen der Nordlichter zu sein.
    Thea und Christof mittendrin.
    Lasst es euch weiterhin gut gehen und bleibt gesund.
    Liebe Grüße Bernd und Gisela

  • #2

    Heinz (Samstag, 01 April 2023 14:51)

    Spannend, humorvoll, ich habe es 2x gelesen! Dazu die tollen Fotos! Danke