Jenö

Sturm zog auf…und wir hatten noch keinen sicheren Standplatz

21 Meter pro Sekunde waren für die Nacht angekündigt, in Böen sogar mehr.

Das ist in etwa Windstärke 9.

Bei einem ähnlichen Sturm ein paar Wochen zuvor, war eine schicke Luxushütte mitsamt 4 Franzosen ins Meer geweht worden. War natürlich ein großes Thema hier auf den Lofoten, vor allem weil die Hütte wohl nicht offiziell genehmigt war.

Auf jeden Fall hatten wir noch keinen Standplatz. War ja auch noch früh am Vormittag

Und überhaupt. Was macht man an einem trüben, grauen, verregneten Tag auf den Lofoten, wenn man eben erst angekommen ist?

In Reine hatte immerhin die Touristinfo auf. Was ein Wunder war. Weil sonst nichts auf hatte. 

Die klappen hier im Winter die Bürgersteige hoch, auch tagsüber. 

Und in der Touristinfo, die gleichzeitig auch noch Galerie und Naturschutzzentrum ist, trafen wir Jenö, der uns zum Studententarif reinließ.

Weil wir seine ersten Kunden waren an diesem trüben Tag.

Toller Typ. Aus Ungarn. Hat auf den Lofoten erst als Kellner gearbeitet, dann in der Fischfabrik und jetzt hat er seinen Traumjob gefunden, wie er sagt. 

Auf jeden Fall haben wir uns erstmal die Lofoten in 3D angeschaut, dann die Bilder in der Galerie, wir haben über die Geschichte der Fischerei auf den Lofoten gelesen und über Mikroplastik an den Stränden. 

Und wir haben mit Jenö gesprochen. Über ne Stunde. Dann kam noch Hugo auf einen Kaffee rein. Zimmerman aus der Schweiz, der hier schon lange lebt.

Wir haben noch mal ne halbe Stunde geredet und irgendwie wollten wir gar nicht gehen. War irgendwie so gemütlich und draußen wurde es immer dunkler. 

Ob er nicht einen Tip für uns hätte, wollte Thea wissen. 

Wegen des Sturms. Wo wir mit der Minna sicher stehen könnten.

"Hier", hat Jenö gesagt. 

"Wie hier?" 

"Hier, direkt neben dem Eingang. Vor der Tür. Auf dem Hof."

Ich konnte das irgendwie nicht glauben. 

Auf jeden Fall wollte ich ganz sicher nicht zu den WoMo-Fahrern gehören, die sich überall hinstellen.

Muß vor allem im Sommer wie eine Art Heimsuchung sein. Hey, die überrennen diesen Ort förmlich. Fluch und Segen gleichermaßen. 

"Du bringst Deine Tochter kurz zur Schule und wenn Du zurückkommst, steht einer in Deiner Einfahrt."

Jenö erzählte das mit einem milden Lächeln. 

"Und wie findest Du das", wollte ich wissen.

"Naja, wir leben schließlich von denen", antwortete Jenö

"Fischfang und Tourismus. Mehr gibt es hier nicht."

 

Was denn die Nachbarn dazu sagen, wenn wir uns in den Hof stellen.

Ich konnte irgendwie nicht locker lassen. 

Jenö lachte. 

Als Ungar sei er ja Experte für Paranoia. 

Wegen der Nachbarn bräuchte ich mir wirklich keine Sorgen machen. 

"Also können wir wirklich ….?"

"Ja, alles gut."

Wir sind dann noch ein bißchen rumgefahren. Haben uns den Ort mit kürzesten Namen der Welt angeschaut - Å.

Ziemlich trostlos. War wie ausgestorben. Die Bürgersteige hochgeklappt. Die Ruhe vor dem Sturm.

Irgendwie hatten wir das Gefühl, daß wir zurück sollten. Nach Reine. In den Hof der Touristinfo. 

Ich hatte immer noch Skrupel.

Nur wenig später hat sich dann herausgestellt, daß es eine ziemlich gute Entscheidung war.

Am frühen Abend nahm der Wind an Stärke zu und jagte eine Böe nach er anderen über die Lofoten. 

Und obwohl wir Schutz hatten von 3 Seiten, wankte und schwankte die Minna erheblich.

Was für ein Glück, daß wir Jenö begegnet waren.

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Kommentare: 1
  • #1

    Jenő (Sonntag, 28 Mai 2023 09:56)

    Hei!
    Vielen Dank für die netten Worte.
    Es war schön euch wiederzusehen