Ich habe gelesen, daß das Meer vor Unstad auf den Lofoten einen halben Kilometer tief sein soll.
Und daß das der Grund dafür ist, warum die Wellen in der kleinen Bucht so gleichmäßig sind.
Weil sie sich auf ihrem Weg von Grönland ungehindert aufbauen können. Unmittelbar vor dem Dorf treffen sie auf eine lange Untiefe,
türmen sich auf und dann wird aus dem idealen „Swell“ ein wunderbares „Set“ von perfekten „Lines“.
Surfer macht das „stoked“, also euphorisch, glücklich…
Unstad ist das nördlichste Surferparadies der Welt. Ein winziges Dorf, mit 15 Einwohnern.
Surfer kommen bis zu 5000 jedes Jahr.
Die besten und höchsten Welle gibt es übrigens jetzt, im Winter.
Der erste, den wir trafen, hieß Pavel. Ein Pole.
Er sei kein schlechter Surfer aber auch kein Profi, erzählte er.
Und das hier, so etwas, habe er noch nie gemacht.
Arctic Surfing. Oberhalb des Polarkreises. Minusgrade.
Pavel war aufgeregt, als er sich mit dem Surfbrett unter dem Arm durch die eiskalten Windböen vom Parkplatz zum Strand kämpfte.
Er hat es insgesamt dreimal versucht, ist aber nicht wirklich hinter die Brandung gekommen und schien am Ende ziemlich erschöpft.
Das Nordmeer hat ihn ganz schön in die Mangel genommen.
Nach Pavel trafen wir Gáspár. Ungar. Aus Transilvanien.
Er strahlte über beide Backen in seinem dicken Neoprenanzug. Schien total euphorisch.
Stoked, wie es in der Surfersprache heißt.
Wo er denn normalerweise so surft, wollte ich wissen
Portugal, Azoren, Phillippinen…
Und Lofoten?
Nein. Noch nie.
Er gab mit seinen Autoschlüssel zu Verwahrung, rannte zum Strand und sprang ins Wasser.
Gáspár schaffte es ohne Mühe hinter das Line-Up. Dort, wo Surfer auf ihren Brettern sitzen und warten.
Ich konnte erkennen, wie er mit einer kleinen Kamera Selfies machte.
Zwei Wellen hat er gekriegt, der Rest - viel Gewirbel.
Es sei nicht sein bester Tag gewesen, sagte er anschließend. Und strahlte trotzdem.
Morgen früh würde er es nochmal versuchen.
Später hat er mit dann erzählt, daß er doch lieber auf ne Skitour geht.
Während ich mit meinem Teleobjektiv Bilder von Gáspár draußen in den Wellen machte, hatte ich aus dem Augenwinkel noch einen weiteren Surfer wahrgenommen. Er stand am Strand und schaute hinaus aufs Meer. Beobachtete. Fast andächtig. Minutenlang. Auch später, als er schon im Wasser war.
Er saß auf seinem Brett, schaute, wartete…
Der richtige Augenblick schien noch nicht gekommen.
Ich habe ihn dann aus den Augen verloren und erst wiederentdeckt, als er in perfekter Haltung auf (oder in) einer Welle an mir vorbei „schoß“.
Es war ein Genuss, ihm dabei zuzuschauen.
Er hieß Bernhard, ein junger Norweger vom Nordkapp, der zurzeit als Surflehrer in Unstad arbeitet.
Ich hatte den Eindruck, er paßte perfekt in diese Kulisse.
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Heinz (Donnerstag, 04 Mai 2023 20:47)
Was für eine Story!! Wie immer beeindruckende Fotos