Auch in Tromsø gibt es eine Treppe, auch eine Sherpatreppe (wie in Bergen), auch mit mehr als 1000 Stufen, 1203 um genau zu sein.
Und auch diese Treppe wollen wir erklimmen.
Sie führt auf den Storsteinen, Tromsøs Hausberg. Nur 421 Meter hoch. Eigentlich ein Klacks.
Von hier aus soll man - wie kann es anders sein - eine sensationelle Sicht über die Stadt haben, über die Insel Tromsøya, den Fjord und die umliegenden Berge.
Von hier aus werden all die spektakulären Fotos geschossen, die Tromsø von oben in Szene setzen,
sei es im Sommer oder im Winter, am Tag oder bei Nacht, ohne aber vor allem mit Polarlichtern.
Von hier aus wollen auch wir auf Tromsø hinunterblicken, staunen und schwärmen.
Anders als beim ersten Mal, sind wir besser ausgerüstet, haben Spikes im Rucksack, sogar zweierlei Art.
Die mit den kurzen Zähnen für die Stadt und die mit den langen für anspruchsvolleres Gelände.
Letztendlich kommen nur letztere in Frage. Denn von den 1200 Stufen können wir leider keine einzige nehmen.
Die Treppe ist komplett unter einer dicken Schicht Schnee begraben und eigentlich geht es nur fast senkrecht und irre steil durch einen Birkenwald nach oben.
Ohne diese Krampen - ein Ding der Unmöglichkeit!
Halb zehn ist es und noch sehr hell.
Nur einzelne Wanderer sind wie wir nach oben unterwegs, die meisten kommen uns entgegen.
Dies hier ist keine Trimm-Dich-Strecke wie in Bergen. Der Weg zu steil, der Aufstieg mühsam.
Einen Rhythmus findet man schwer: mal sinkt man ein, mal droht man abzurutschen, mal versucht man, in die Fußstapfen der Vorgänger zu treten.
Stufen wären echt mal klasse!
Anstrengend und schweißtreibend ist es allemal. Ständig halten wir an, entledigen uns einer Schicht nach der anderen.
Ich drehe mich nur selten um. Schaue ich zurück, wird mir mulmig.
So tief unten liegt die Stadt und der Weg hinter uns soooo steil.
Gott sei Dank gibt’s ein paar Bäume für den FALL …
Dank der Methode „diretissimo“ erreichen wir den Gipfel dann doch recht schnell.
In der gemütlichen Fjellstua verweilen die letzten Gäste.
Die Seilbahn spuckt noch ein paar Nachzügler aus. Es kraucht ja nicht jeder zu Fuß hier hoch.
Auf dem Felsplateau sind wir fast alleine.
Stehen am Geländer im bläulich-kalten Weiß des schneebedeckten Gipfels, zu unseren Füßen das leuchtende und erleuchtete Tromsø.
So anders, wenn man es mit eigenen Augen sieht!
Erst recht um diese Tageszeit, bei diesem Licht, kurz vor Einbruch der Dunkelheit. Wenn die goldene in die blaue Stunde übergeht. Meine Lieblingsstunde!
Jetzt sind wir hier, so weit im Norden, 3270 km von zuhause entfernt und dürfen das hier sehen!
Ich kann es manchmal gar nicht fassen. Das wird mir hier oben noch einmal mehr bewusst.
Ziemlich lange stehen wir da, warten auf die Dunkelheit. Ungeachtet der vorgerückten Stunde will die Sonne einfach nicht Abschied nehmen.
Ihr pastellener Schleier bleibt im Westen ewig hängen, als hätt‘ er sich am Horizont verhakt.
Darüber der klare Winterhimmel - hell-, mittel-, dunkelblau, nicht mehr ganz so eisig!
Und dann kommen sie doch noch. Ein später Auftritt!
Grünliche Flammen über unseren Köpfen, zaghaft tanzend.
Betörend schön und geheimnisvoll wogen sie über den Himmel. Ein magisches Himmelspektakel!
Oft werden wir sie nicht mehr sehen. Ab Mitte April machen sie sich rar.
Aber Aurora Borrealis ist auch diesmal eine Diva.
Kommt und geht und tritt vor allem nicht da in Erscheinung, wo es der Fotograf gerne hätte:
genau über der Stadt, so wie auf den einschlägigen Tromsø-by-night-Fotos. Tant pis!
Da können noch so lange die Beine des Stativs im Schnee, und man sich selbst die Beine in den Bauch stehen.
Um kurz nach Mitternacht brechen wir auf. Eigentlich eher mein Vorschlag! Ich wünschte, ich wäre schon unten!
Im grellen Schein der Stirnlampe, treten wir den Rückweg an.
Der steile Abstieg geht ordentlich auf Knie und Oberschenkel.
Wir setzen vorsichtig einen Fuß vor den anderen, halten uns an Ästen und Stämmen fest.
Ich versuche, ja nicht nach unten über die Kante zu schauen.
Gebe mir redlich Mühe, mögliche Absturzszenarien sofort aus meinem Kopf zu verdrängen und mich nur auf den jeweils nächsten Schritt zu konzentrieren.
Und immer wieder schalten wir die Lampe aus: War da nicht ein grüner Schimmer am Firmament?
Immer wieder hält Christof inne. Auch das noch!
Immer wieder fummelt er an den Beinen seines Stativs, rammt sie in den abschüssigen Boden, mehr schlecht als recht, so gut es eben geht, richtet die Kamera und flucht. 3,2,1 Klick!
Und weiter geht‘s. Ich will endlich unten sein!
Kurz nach 1 Uhr erreichen wir das Wohngebiet und liegen gegen 2 Uhr in unserer Minnakoje.
Auf dem Heimweg hätten wir uns fast noch einmal hingelegt. Die Straßen waren eisglatt.
Auch die o h n e jegliches Gefälle ... und die Icegripper - light Version - natürlich im Rucksack.
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Heinz (Freitag, 09 Juni 2023 12:48)
Tolle Fotos, magische Stimmung